Es leben die Ferien! Lange schlafen, lange frühstücken, viel lesen, alles machen, ohne auf die Uhr zu schauen. Eben wie Gott in Frankreich ;-).
Natürlich wollen wir die Gegend kennenlernen. Das Tochterkind war in den diesem und im letzten Jahr zum Austausch hier, was uns eben auf die Idee brachte, hierher zu fahren. Die Picardie - eine Region nördlich von Paris- ist jetzt nicht der Hort weltweit bekannter Sehenswürdigkeiten. Dennoch gibt es Feste und Orte, die es so nur hier gibt.
Am Sonntag zum Beispiel waren wir in Beauvais, wo immer am letzten Wochenende im Juni die Fête Jeanne Hachette gefeiert wird. In den Nebenstraßen mit hübschen kleinen Häusern warten die Darsteller auf den Auftritt.
In einem Festumzug mit Darstellern in historischen Kostümen wird an die die Stadt rettende Begebenheit aus dem Jahre 1472 erinnert.
Allerhand bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte hatten ihren Auftritt, aber auch allerhand Personen mit zwielichtigem Hintergrund, wie die "Reiter", die die Leute mit Konfetti und Wasserspritzen begrüßten..
Das folgende Gefährt machte den Zuschauern besonders Spaß. Die Männer mußten zur Fortbewegung treten und gleichzeitig ihr Musikinstrument bedienen.
Die Darsteller der Wilden, die sehr martialisch geschminkt waren und menschlichen Kontakt vermieden, hatten dennoch viel Spaß bei ihrem Auftritt.
Der Umzug endete am Place Jeanne Hachette, wo ein wunderschönes Karussell auf die kleinen Besucher wartete.
Überhaupt ist diese kleine Stadt sehr hübsch mit ihren kleinen Gassen und Fachwerkhäusern, die zum Teil schon 400 Jahre alt sind.
Bekannt ist die Stadt auch für ihre Kathedrale Saint-Pierre. Sie ist einer der bedeutendsten gotischen Kirchenbauten Frankreichs und besitzt mit einer Höhe von 48,50 Metern (im südlichen Querhaus) das höchste Kirchengewölbe der Welt.
Erst aus Geldmängeln, dann wegen der Religionskriege und später, weil die Gotik von der Renaissance überholt wurde, ist die Errichtung des Langhauses nie in Angriff genommen wurde. An dessen Stelle steht noch immer das Schiff des Vorgängerbaus aus dem 10.Jahrhundert. Die Kathedrale blieb unvollendet.
Gestern nun erkundeten wir Chantilly. Die Stadt ist weltbekannt für das Schloß, das von einer großzügigen Parkanlage umgeben ist.
Im Schloß befindet sich das Musée Condé mit einer bedeutenden Kunstsammlung. In den weitläufigen Räumen (unterwegs "verloren" wir den Mann) befinden sich unter anderem Gemälde von Raffael, Tizian, Watteau, van Dyk und Ingrès. Aufgrund einer Vereinbarung des damaligen Besitzers mit dem Staat darf nichts verändert, geschweige veräußert, werden. Das heißt, die Anordnung der Gemälde in diesem Saal wird für immer so bleiben.
Das Museum besitzt weiterhin 2500 Zeichnungen und eine Bibliothek mit 1500 Handschriften, von denen ein Teil in der Bibliothek besichtigt werden kann.
Diese Bibliothek ist ein die durch bis zur Decke reichende Regale sehr beeindruckender Raum. Hier befinden sich ca. 13000 Bücher, die nach verschiedenen Kriterien - Größe, Farbe der Einbände, Titel, Sachgebiet ... - geordnet sind.
Ich hätte gern gewußt, ob der Herzog von Aumale (der Sammler) diese alle gelesen hat. Irgendwann konnte ich nichts mehr aufnehmen und wir machten uns auf den Weg nach draußen.
Ab und zu kann man aus den Schloßräumen einen Blick auf die Gartenanlagen erhaschen - so wie hier auf den am Horizont liegenden Venustempel.
Das Schloss ist von einem Park umgeben, der 155 Hektar umfasst, davon 25 Hektar Wasser. Allerdings sieht das Wasser nicht sehr gesund aus. Wir haben einen großen Teil erkundet. Leider war der Irrgarten wegen Pflegearbeiten nicht zu begehen. Das Tochterkind war ganz traurig darüber. Unterwegs sahen wir Graugänse, Enten, Graureiher, Schafe und Ziegen. Verwundert waren wir über die Tatsache, daß es ein Känguruhgehege gibt, darunter sogar zwei Albinokanguruhs. Ca. 11000 Schritte machten wir in der Zeit unseres Besuches auf der Domaine de Chantilly.
Chantilly ist auch als französisches Zentrum für Pferdezucht bekannt. Zum Schloß gehört auch ein Pferdemuseum, das wir aber ausgelassen haben. Auf der angrenzenden Pferderennbahn finden regelmäßig Pferderennen statt.
Außerdem gilt (allerdings unbestätigt) Chantilly als der Ort, wo erstmals gesüßte Schlagsahne gereicht wurde. Die heißt im Französischen Crème Chantilly. Auch die Chantilly-Spitze ist berühmt. Sie ist immer schwarz. Fein gearbeitete Exemplare konnte wir besichtigen. Nur am Rande soll erwähnt werden, daß das Schloß im James-Bond-Film Im Angesicht des Todes als Kulisse diente. Paul Cézanne malte hier Straßen- und Waldansichten.Jean de Lafontaine und Molière verbrachten hier einige Zeit. Jean Cocteau ließ sich vom Schloß zu den Kulissen für den Film La Belle et la Bête inspirieren.
Heute haben wir wieder einen Tag in unserem schönen Ferienhaus und dem kleinen Örtchen, der Bell-Eglise (schöne Kirche) heißt, verbracht.
Hinter dem Tor befindet sich das Wohnhaus der Besitzer. Momentan werden sie durch gute Freunde vertreten. So manch ausführliches Gespräch hat sich schon ergeben. Wir kamen sogar in den Genuß frisch gelegter Eier.
Der Hühnerstall liegt im hinteren Teil des Gartens, zu dem folgender Weg führt ...
... vorbei an Taglilien und einer riesigen Kirschlorbeeranpflanzung...
... mehreren Sträuchern und gestutzten Platanen.
Vom Sitzplatz fällt der Blick auf die Pforte zum Garten der Eigentümer...
... durch deren Gitter ich einen neugierigen Blick wagte. Buchshecken, Rosen, Lavendel - ein eigener kleiner Schloßgarten.
Alles ist sehr liebevoll eingerichtet und wir fühlen uns sehr wohl hier. Ich hoffe, dieses Gefühl konnte ich Euch vermitteln. Nun geht es an die Vorbereitungen zum Abendessen. Natürlich mit frischem Baguette vom Bäcker. Für mich gibt es allerdings Vollkornbrot. In dieser Hinsicht hat Frankreich einen Schritt nach vorn gemacht. Also, bis dann!
A bientôt!
Petruschka